Martin Amanshauser

Den Glockner muss man sich verdienen

Die meisten kennen Heiligenblut nur vom nach rechts oder nach links zur Kirche im kleinen Dorf hinüberschauen – je nachdem, ob sie die Hochalpenstraße in Richtung Glockner hinauffahren oder die Hochalpenstraße vom Glockner herunterkommen. Das geht natürlich nur im Sommer, wenn die Alpinroute autobefahrbar ist. Im Winter beginnt bei Heiligenblut auf 1.288 Meter ein nettes, nicht allzu großes Schigebiet, das mit Schneekanonenhilfe sehr früh im Winter befahrbar ist und auch noch in den Frühling hinein „geht“ – mit dem kuriosen Nebeneffekt, dass ein paar manische Tourengeher unter den Schiliften nach oben watscheln, bevor sie ihrerseits die Früh- oder Spätpisten verwenden. Das zeigt unter anderem die vielfältigen Möglichkeiten der NationalparkRegion Hohe Tauern Kärnten (das große R im Wort wirkt nur wie ein Fehler, ist aber ein neudeutsches Marketing-Relikt). Von Heiligenblut aus geht man von Gipfeln knapp über der Waldgrenze bis hinauf zum Großglockner, 25 Hektar Freeride-Gelände sind freigegeben, im Idealfall befährt man das Gelände mit den Berg- und Schiführern vor Ort. Wer lieber defensivere Sportarten betreibt und Gämsen oder Steinböcke treffen will, kann in der Region gut Schneeschuhwandern. Auch das am besten mit einem Nationalpark-Ranger.

Denn eine Devise hat höchste Priorität: Immer Vorsicht vor den Lawinen! Zu einem der ersten überlieferten Lawinenopfer wurde ein Däne namens Briccius im Jahr 814 beim Pasterzengletscher, der aus Konstantinopel hergewandert kam. Seltsamerweise sah man das Unglück sofort, sein Fuß stand aus einer Schneewächte. Regulär am Kirchhof beigesetzt, ragten die Zehen des Dänen erneut aus dem Kärntner Boden, und genauere Beobachter wurden eines Fläschchens Blut gewahr, das der Verstorbene offenbar am Unterbein mit sich geführt hatte. Und siehe da, es erwies sich als Original-Blut aus dem Reliquiennachlass des gekreuzigten Jesus! Obwohl die katholische Kirche dem Briccius bis heute wegen schlechter Beweislage die Heiligsprechung vorenthält, wird die quasi heilige Flüssigkeit in der Pfarrkirche seitdem aufbewahrt, und der Ort trägt seinen Namen deshalb.

Soweit Legende und Geschichte – auch die Realität spricht für den Winterbesuch im schneesicheren Trio auf der Südseite des Alpenhauptkamms: Großglockner/Heiligenblut, der Ankogel und der Mölltaler Gletscher bieten insgesamt 145 Kilometer Pisten und, wenn man Glück hat, einen Blick auf den Großglockner, aber diesen, so die Einheimischen, „muss man sich verdienen“, das heißt: Nebel- und Wolkenlage unbestimmt, öfter vorbeikommen ist der Schlüssel zum wohlverdienten Blick.

Der Mölltaler Gletscher, früher auch unelegant aber ehrlich „Wurtenkees“ (Artikel: das, nicht der), ist Österreichs einziges Schigebiet mit Betrieb das ganze Jahr über. Das nützen im August und September die Rennläufer der diversen Nationalmannschaften. Auch hier wieder ein kleines, freundliches Schigebiet von fast unendlicher Schneesicherheit, zwischen 2.100 und 3.122 Metern, auch wenn es im Sommer (eingeschränkter Betrieb) ganz schön weich werden kann (bis zur Betriebspause) – die weltweiten Klimabedingungen machen auch vor Kärnten nicht Halt, der Gletscher zieht seine kühle Zunge Jahr für Jahr zurück, die Irrationalen lästern, es hänge auch damit zusammen, dass ihn niemand mehr bei seinem ursprünglichen Namen nennt. Die Zubringerbahn zum Wurtenkees, die Stollenbahn von Flattach, war in den Neunziger Jahren unter Naturschützern ein umstrittenes Projekt, doch der Gletscher steht weiterhin.

Das sonnig-breite Mölltal, aus dem die drei Schigebiete aufsteigen, bietet mehr als das kleine Flattach – unter anderem Obervellach mit seinem schönen Hauptplatz und dem „Oberstbergmeisteramt“, einem modernen Hotel in historischem Gemäuer, im 16. Jahrhundert der Amtsitz des Bergrichters für den Ostalpenraum. Für 270 Jahre war Obervellach das Zentrum der Bergbauverwaltung des Habsburgerreiches, dann kam Klagenfurt dran, aber zu diesem Zeitpunkt ging es mit dem Bergbau bereits – man sagt es so locker, doch es ist wahr – bergab. Heute sind die Ambitionen der 2.500-Einwohner-Gemeinde dem menschlichen Drang nach oben gewidmet. Als Spezialität gilt, nicht ganz zu Unrecht, die Natur, nämlich eines der interessantesten Tourenreviere Österreichs in einem Umkreis von 70 Kilometern von Obervellach. Königsdisziplin ist die Skiüberschreitung der 3.360 Meter hohen Hochalmspitze und die Abfahrt ins Maltatal.

Schigebiete: Großglockner/Heiligenblut, Nölltaler Gletscher, Ankogel, insgesamt 29 Liftanlagen zwischen ca. 1.300 und 3.122 Meter, erreichbar über IC-Bahnhof Mallnitz/Obervellach (Shuttle-Service), über Tauernautobahn / Tauernschleuse, und international über Airport Klagenfurt.

Touren: Rund um die Goldberggruppe mit Ankogel und Sonnblick, Kreuzeck- und Reißeckgruppe, Großglockner und Großvenediger erstreckt sich ein Tourengebiet, das aufgrund seiner Höhenlage eine extra lange Saison bietet (bis in den Mai). Dazu eine Skitourenwoche für Einsteiger in Obervellach 21.-28.3.

Ski Kärnten, www.ski-kaernten.at

Oberstbergmeisteramt, Hotel, Obervellach 58, www.oberstbergmeisteramt.com